Forum Landwirtschaft – Ein Blick über den Schwarzwald hinaus

Rückblick auf die Vortragsveranstaltung am 30.01.2025 im Rathaus Schluchsee

Im Rahmen des Forums Landwirtschaft fand die Vortragsveranstaltung „Herdenschutz – Ein Blick über den Schwarzwald hinaus“ statt. Die vom Biosphärengebiet Schwarzwald in Kooperation mit dem Herdenschutzprojekt Südschwarzwald organisierte Veranstaltung stieß auf großes Interesse. Zahlreiche Weidetierhalterinnen und Landwirtschaftsinteressierte nutzten die Gelegenheit, sich zu informieren und sich mit den Referenten auszutauschen.

Nach der Begrüßung durch Walter Kemkes, Geschäftsstellenleiter des Biosphärengebiets Schwarzwald, der auch die Moderation des Abends übernahm, stellte Rebecca Müller, Projektkoordinatorin des Herdenschutzprojekts Südschwarzwald, die bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen des Projekts vor. Im Fokus des Projekts steht der Herdenschutz bei Rindern. Besonders gefährdet seien laut deutschlandweiter Rissstatistik Kälber bis zur 8. Lebenswoche. Schutzmaßnahmen wie wolfsabweisende elektrische Zäune können das Risiko eines Wolfsübergriffs verringern. Für ältere Rinder gibt es Fördermöglichkeiten zur kompakten Herdenführung oder dem Mitführen von Alttieren, welche als zumutbarer Herdenschutz beim Rind gelten. Allerdings bedeute Herdenschutz immer einen erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand.

Die Auswertungen der ersten projektbegleitenden Weidesaison auf den Projektbetrieben zeigen, dass Tierhaltende langfristige Beratung und Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen benötigen. Zwar wird der Mehraufwand finanziell vom Land gefördert, jedoch fehle oft die Zeit auf landwirtschaftlichen Betrieben.

Prof. Markus Röhl von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, präsentierte Forschungsergebnisse zur Umsetzbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen an Sonderstandorten. Dafür wurden 15 Betriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt, die Weiden in Steillagen bewirtschaften.

Ein zentrales Element des Herdenschutzes bei den befragten Betrieben sind technische Herdenschutzmaßnahmen mit elektrischen Weidenetzen sowie halbmobilen und festen Zäunen mit 4-5 Litzen, wobei die unterste Litze maximal 20 Zentimeter Bodenabstand aufweist. Für einen einfachen Auf- und Abbau sollte die Trassenführung möglichst an geomorphologischen Gegebenheiten angepasst sein. Einige der Betriebe zäunen Übersprunghilfen ein oder sperren zeitweise Wege. Das Einebnen einer Zauntrasse kann die spätere Pflege erleichtern, erfordert jedoch eine Abwägung zwischen Herdenschutz und Natur- bzw. Bodenschutz. Es stellte sich bei den Betrieben heraus, dass in Steillagen mobile Netze mit einer Höhe von 120 Zentimetern oft ungeeignet sind, da sie zu unhandlich, zu schwer und zu windanfällig sind. Bei elektrifizierten Zäunen und Netzen komme es immer auf eine gute Erdung an, die man z.B. durch Betonit, Bewässerung und stationäre Erdungspunkte erreichen kann.

Neben technischer Herdenschutzmaßnahmen werden auf den besuchten Betrieben auch Systemmaßnahmen wie Nachtpferche oder nächtliches Einstallen angewendet. Betriebe, die nicht saisonal Abkalben haben ihre Geburten in den Stall oder auf gut geschützte Koppeln verlegt. Ebenso wie im Südschwarzwald werden auch an anderen Orten die Herdenstrukturen wehrhafter gestaltet wie das Mitführen von zwei bis drei älteren Kühen auf Jungviehweiden oder von Bullen in Mutterkuhherden.

Als weitere angewandte Herdenschutzmaßnahme und Ergänzung zur Technik wird die Behirtung umgesetzt.

Für den Aufbau und das Freihalten von Zaunanlagen können Anschaffungskooperationen mit anderen Tierhaltenden oder Freiwilligeneinsätze sinnvoll sein.

Herdenschutzhunde verschiedenster Rassen können einen effektiven Herdenschutz darstellen. Vor der Anschaffung sollte jedoch eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden. Sie werden nur hundeaffinen Personen empfohlen, da sie betriebliche Anpassungen erfordern. Kleinere, übersichtliche Parzellen sind für die Hunde leichter zu schützen. Allerdings kann die Haltung von Herdenschutzhunden auch zu Konflikten führen: Anwohnende könnten sich über Lärm beschweren, es kann zu Spannungen mit Tierschützerinnen oder Spaziergängerinnen mit Hunden kommen, und in seltenen Fällen sind Übergriffe auf eigene Nutztiere, Ausbrüche der Hunde oder Konflikte auf Naturschutzflächen möglich.

Herdenschutzmaßnahmen bieten keinen hundertprozentigen Schutz für Weidetiere, senken jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Übergriffs. Herdenschutz ist mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Die mechanische Pflege der Weideflächen sei finanziell und fachlich keine Alternative. Deshalb darf ein Aufgeben der Beweidung keine Option sein, so der Referent Markus Röhl. Daher sei dringend Unterstützung für Weidetierhalterinnen erforderlich.

Einen wertvollen Einblick gewährte Norbert Böhmer, der einen Bio-Weidebetrieb mit insgesamt 120 Kühen und Kälbern auf rund 105 Hektar bewirtschaftet. Neben der Direktvermarktung seines Simmentaler Weiderindfleisches betreibt Familie Böhmer eine Zucht von Zwergzebus, welche auf Naturschutzflächen weiden.

Ab dem Jahr 2009 war der Betrieb von mehreren Wolfsrissen betroffen. Norbert Böhmer berichtet, dass jede Wolfsaktivität einen Einfluss auf das Herdenverhalten seiner Rinder hatte. Zudem kämpfte er mit Verlusten in der täglichen Gewichtszunahme. Nach längerer Eigenrecherche und mit Unterstützung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt entschied er sich 2016 für den Erwerb von zwei Pyrenäenberghunde-Welpen zum besseren Herdenschutz. Nach einer erfolglosen Integration in die Herde wurden zwei adulte Hunde mit Hilfe einer professionellen Hundetrainerin an die Herde herangeführt. Es dauerte rund zwei Jahre, bis sich Hund und Kuh als Einheit präsentierten.

Zudem ließ er sich einen 18 km langen Festzaun fördern, den er mit Unterstützung von Freiwilligen der Initiative „Wiki Wolves“ in rund 700 Arbeitsstunden auf seinem Betrieb errichten konnte. Die fortlaufende Pflege der Zäune erfordert im Sommer fast eine Vollzeitstelle. Um Zeit einzusparen, tüftelt Böhmer gerade an einer technischen Variante, die das Freimähen vereinfachen soll.

Auch im Stall nahm er Umbaumaßnahmen vor, da die Hunde Fluchtmöglichkeiten benötigen. Tote Winkel und Selbstfangfressgitter wurden entfernt, um Unfälle zu vermeiden.

Die Unterhaltskosten pro Hund belaufen sich auf ca. 2.500 bis 3.000 € pro Jahr. Für einen erfolgreichen Herdenschutz mit Hunden seien pro Herde mindestens drei Tiere erforderlich, die idealerweise aus gemischtgeschlechtlichen Gruppen zusammengesetzt werden. Norbert Böhmer empfiehlt, die Hunde zum Fressen von der Herde abzutrennen. Die Hunde sollten regelmäßig entwurmt werden. Bisher hat er keine Probleme mit Krankheiten. Kenntnisse im Umgang und der Erziehung von Hunden seien unerlässlich, da die Hunde gut mit dem Menschen zusammenarbeiten sollen und so eine Symbiose mit Mensch, Hund und Herde bilden.

Seit 2022 gilt der Bio-Rinderhof von Norbert Böhmer als Herdenschutz-Kompetenzzentrum und bringt seine Erfahrungen in das internationale Projekt „LifeStockProtect“ ein. Seine Botschaft: „Der Schutz unserer Weidetiere hat oberste Priorität.“


Die Vorträge sind online abrufbar unter: Downloads